Freitag, 10. August 2018

CGM 800: "VON MÜHEN UND PLAGEN"; fol. 206 r-v

206 r: Ziel und Zweck der Schrift ist: a) Anfechtungen und Widerwärtigkeiten williger, d.h. besser, zu erdulden, b) alle Dinge, die gegen Gott sind verschmähen.
Dies ist der Grund, warum die Verfasserin der Abhandlung über das Übel schreibt, das täglich Seele und Leib befällt. Die Ursache des Übels ist der Ungehorsam von Adam und Eva.
Zuerst soll man wissen, daß das Leben hienieden nur eine kurze Zeit währt. Zitate von AMBROSIUS und HIOB. Der Mensch lebt eine kurze Zeit und wird mit viel Jammer erfüllt. Sobald wir geboren sind, fangen wir eher an zu weinen als zu lachen. Vom selben Tag an können wir nicht ohne Sünde sein (Leben=Sich-schuldig-machen). Wir werden im Fluch der Sünde geboren. Lebt einer lange, so wird er 70 oder 80 oder nicht viel darüber. Hundert mal mehr sterben aber vorher, keiner weiß, wann oder wie.
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206 v: Wenn man die künftige Pein mit Sünden mehr vermehrt als vermindert, dann ist dies ein großes Übel. Hat das Leben alle Dinge, die hier als gut geschätzt werden, wie Stärke, Reichtum, Macht ("und ander solliche ding die zergäncklich und unpeleiblich sind") , so sind sie in Wirklichkeit wie eine schöne Blume, die heute blüht und morgen verdorrt ist. So steht es auch um die Ungewißheit unseres Lebens und um alle anderen Dinge, über die wir uns hier freuen, die sich aber über Nacht von Lust und fröhlichen zu traurigen verkehren können. Das Leben hat viel Sorge (s. auch Heidegger!), Mühe, Arbeit (s. auch Schopenhauer: Leben=Pensum, zum Abarbeiten) und Elend an sich, womit sich gemeinhin alle herumschlagen müssen, nicht nur die einfachen Leute, sondern auch Könige, Fürsten, geistliche wie weltliche Obere. Sie alle müssen große Sorge, Mühe und Arbeit haben, gemäß ihrem Stand recht und auf Gott ausgerichtet zu leben, wollen sie künftiger Pein überhoben sein, denn viele Dinge können tödlich sein, die einem schlechten Menschen läßlich erscheinen. Daher gibt es niemanden, von den Obersten bis zu den Niedrigsten, der ohne Sorge sein Leben in Ruhe haben kann. Ergo ist das Leben unsicher, unfriedlich, voller Unruhe und Anfechtung, womit einer den anderen bekümmert und treibt (vgl. Schopenhauer: einer des anderen Teufel!). Selbst kleine Insekten und Parasiten setzen uns zu ("wir haben auch laiden von clainen tierlein und von würmlein die an uns chumen oder an uns wachsczen die uns peinigen und peissen"). Auch das Klima macht uns zu schaffen ("frost hicz regen schnee und windt doner plicz und schaur") und die...
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