Freitag, 24. August 2018

CGM 447: TRAKTATE DES JAN VAN LEEUWEN (TEIL 8)

fol 13 r: Solche "humilitas" ist "eyn halbe gaistliche hoffart" (eine halbe geistliche Überheblichkeit, somit nichts wert!). Ein derartiger frommer Heuchler will "das man yn noch mer heylig heisß vor den augen der menschen" (er will also den Schein der Heiligkeit erwecken; ein Scheinheiliger). Doch der Grunddemütige will "das ym alle dy welt laster (?) und schand erbüt" (daß ihn die Welt in den Schmutz zieht und ihn für schändlich hält; "erbüt"=erweise, darreiche; von "erbieten"; ich bin aber nicht ganz sicher!). Dies soll er dann tragen, "dann das er ym selber an tete" (als ob er es sich selbst antäte).-"Wann alle dy schand und laster dy ym der mensch selber an tut do ist sicher wenig nütz an" (was man sich selber antut, daran ist kein Nutzen). Das "aller pest" ist "zu nichten werden yn dy dymütigkait" (durch Demut zunichte werden), "und das mag kain mensch den andern leren dan got allain".-Ein guter Mensch hat  in sich geistlichen Streit und viel Betrübnis: "sehent eyn gut mensch musß haben mangen (=manchen) streit und auch vil yn wendig betrubnüß". Grund: "diß komt all zu mal dar von das des menschen nyderster tail seyner synlichkait geren wolt herschen uber das oberst dail der sele" (das kommt insgesamt davon, daß der niederste Teil der Sinnlichkeit gern herrschen will über den obersten Teil der Seele"; das geht natürlich nicht!).-
fol. 13 v: "...und also müsß ein gut mensch offt betrubt werden wider seynen willen" (ergo muß ein guter Mensch oft betrübt sein entgegen seinem Willen). Grund: "wann fleisch und plut wollen do uber hant nemen yn dem menschen uber den gaist" (das Fleisch und das Blut wollen im Menschen überhand nehmen über den Geist) "und das ist kayn wunder das ein gut mensch unterweilen betrubt wirt" (kein Wunder, daß ein guter Mensch bisweilen betrübt wird).-Die sinnlichen Kräfte ziehen uns hinab: "nyder... zu yrdischen dingen" (=großes Hindernis für die Einkehr und Schaden an der Seele: "aller grost schad der sel"). Wer dieser Einkehr ("ynker") verlustig geht, der verliert mehr in einem "augen plick", "dann ob er da zwischen alles ertrich gewünn" (als ob er dazwischen (inzwischen) alles Erdreich gewönne; schöner Konjunktiv II!). "...und auch me (=mehr als) alles geschrift mit unterschaid (Klarheit, Gabe der Unterscheidung, Auslegung, Erörterung und dergl.) begreifen und lernen künd und auch me das ich alle menschen dy selben künst mit unterschaid künt leren..." (mehr noch, als alle Schriften erfassen und lehren könnten und auch mehr, als ich alle Menschen lehren könnte durch Auslegung (Erörterung; "unterschaid").
fol 14 r: "...und das ich mit der selben ler alle menschen zu hymel precht und das auch ayn mensch alle dy armen speißet dy auf allem ertrich sind" (und daß ich durch dieselbe Lehre alle Menschen in den Himmel bringen könnte (brächte) und daß auch ein Mensch alle Armen speisen würde (könnte), die auf dem Erdreich sind; mehr als all dies würde ein Mensch verlieren, dem die Einkehr abhanden käme). Der Sinn der Schrift: "auff das wir on alle hinternuß ein gaistlich opfer gottes sullen und weren seyn" (daß wir ohne alle Hindernisse ein geistliches Opfer sein sollen und werden).-Die Liebe Gottes, die für kurze Zeit Freiheit bringt.-
14 v: Die Natur kann man zwar bezwingen, aber nicht zunichte machen: "man mag dy natur und alle unordenlich benaigung der natur durch dy gnad gottes wol bezwingen aber nit zunichte machen". Begründung: "wann natur beleibt all zeit natur". Solange der Mensch durch die Gnade Gottes gegen die Sünden streitet und die Natur bezwingt, ist dies keine Todsünde: "wer sy halt beschlossen yn tausent maur...diß mag weder tod sünd seyn also lang (=solange) der mensch yn wendig durch dy gnad gottes streitet wider die sünd" (so far, so good).-Klage über eigene Unvollkommenheit. Je mehr einer gute Werke tut, umso mehr übt er Askese ("so er mer sich yn allen dingen vernichten soll").-
Gott versage niemand etwas...---
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