Dienstag, 21. August 2018

CGM 447: TRAKTATE JAN VAN LEEUWENS (TEIL 3)

3) fol. 4v: Leiden wird als etwas Positives gewertet: "seht das leiden ist lauter (=rein) edel und ist auch ein seliges leiden". So litten die Heiligen gerne. Ein solcher "wolt nit das er leides ledig wurd wan lieb will all zeit leiden oder wurcken" (daß er frei von Leiden sei, denn die Liebe will alle Zeit leiden und wirken). Denn keiner ist frei von Leid: "wan yr wisset wol das kain mensch von natur auf ertrich sey der on leiden mag seyn er hab etwas zu leiden auch all sein leb tag". Besonders Geistliche leiden ganz viel: "und sunderlichen so kümpt gaistliche menschen oft und dick leiden da von sie betrubt werden der ayn also der ander anders (=der eine so, der andere so)".
fol. 5 r: Leidet man, so soll man sich freuen: "sünder (=sondern) yr solt euch freuen das euch got ym geleich macht (=daß einen Gott dadurch ihm gleich macht). Wer leidet, ist Gottes Freund: "und das ist eyn wares zaichen das got ewr (lies: euer) freund ist", "wann nit anders was (=war) das leben Christi auf ertrich (=dem Erdreich) dann leiden und armuot und elendigkait". Dann geht es um Armut Christi ("freywillige armuot und gelassenhait" (=Gottergebenheit)), die bei ihm größer war als bei allen Menschen zusammen ("dann aller menschen armuot zu samen dy all menschen ye gewunnen (=jemals erlangten)".
fol. 5 v: Sein Mitleiden war so groß, "das es all heyligen zu samen nit entgründen möchten" (=daß alle Heiligen zusammen es nicht ergründen konnten). Sein kleinstes Leiden war größer als das größte aller Heiligen und Menschen zusammengenommen. Sein Leiden währte 33 Jahre ("werdet drey und dreissig jar lang". Dieses bestand aus "elend hünger durst kelt hitz suss und saur und alles den (=von dem, das) ynwenig und außwendig auf yn vallen möcht").
fol. 6 r: Man soll Christus helfen, sein Leid zu tragen. Äußeres Leiden ist im Vergleich zu Mitleiden gering ("das ist ain clain dink gegen den grossen mit leiden das er ynnen mit uns gehabt hat"). Je mehr man also Dinge tut, "dy wider seyn natur seind also vil wurckt der mensch das got geuelt" (u=v;=desto mehr wirkt er, was Gott gefällt), desto freier werde man ("als vil wirt der mensch seyn selbs ledig (=ledig seiner selbst) und frey", aber desto mehr leide man auch, jedoch auf selige Weise ("alß vil leidet der mensch yn seyligclich weiß". Das Beste sei, "das der mensch zu grund seyn selbs auß-
6 v: gee" (=daß man von Grund auf sein Selbst aufgibt, aus diesem gleichermaßen herausgehe). Begründung: "wann diß ist der aller sicherst weg zu dem ewigen leben". Hat man an dieser Lebensweise erst einmal Gefallen gefunden ("eynest (=irgendwann einmal; dermaleinst) gesmackt het"), dem ist nichts mehr zu schwer ("dar nach mocht dem menschen kayn dingk mer zu swer seyn". Zitat: GREGOR: Liebe will alle Zeit wirken und leiden. Sie wirkt Großes.
fol. 7 r: Es geht nun um selbstloses Dienen und "gut scheynender menschen" (also Leute, die gut zu sein scheinen), Gehorsam, Gottergebenheit ("gelassenhait") sowie Bescheidenheit. Auch um Aufgabe des Eigenwillens, daß man nichts aus "aygenwillen oder auß erkießen" (=was man selber will oder auswählt): "noch dann wer (=wäre) mir dausent mal pesßer und nütz meyn sel das ich meyn selbs zu gründ ynwendig stürb yn rechter gelassenheit und geb meynen willen eynfeltigclichen uber -?-in dy heyligen gehorßam (7v) meynes obersten" (dennoch wäre es 1000mal besser und nützlicher für die Seele, daß man innerlich bis zum Grund absterbe in Gottergebenheit und seinen Willen einfältig an den Klosteroberen übergebe).
7 v: "wann es wer mir daußet mal mer pesßer das ich meynenm prelaten volgt und seynen willen thet auß recht gehorsam des ordens dann das ich meynen willen det". Es folgt eine Art Sprichwort: "wann (=denn) ich sag euch das der mensch vil sicherer reytet der auf eynes anern halß siczet wann er aynen andern auff seyner achßeln (=Rücken) soll lassen reyten" (sicherer ist es, man reitet auf einem anderen, als daß der auf einem reitet). Der nächste Gedanke könnte dies erklären: "und diß mayn ich hyer pey meynem prelaten dem ich gehorßam gelobt han der hat seyn aigne sel fur mich gesetzt aber ich hab mein sel fur yn nit gesetzt" (was soviel bedeutet wie: der Prälat hat den Kopf für mich hingehalten, ich aber nicht für ihn!).-Streitsucht ("griglichkait"): Sie kann am besten überwunden werden, wenn man weder widerspricht ("kayn dingk verantwurt) noch sich beklagt. Es sei das Beste, "das ich waiß das sich der mensch selb druck (=unterdrückt) und laß zu gründ unter got (=und sich unterordnet). Neues Thema: "Wöllen wir nün komen zu ewiger clarheit (=Herrlichkeit) dy got selber ist". Dazu muß man die Gebote halten ("so müßen wir uber eyn dragen (=übereinstimmen) mit den dreyen gepoten gottes und auch mit den dreyen finsternüßen" (damit sind Sünden gemeint).
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